Die Wirtschaftskrise und die steigenden Gesundheitskosten hinterlassen Spuren bei den Prämienzahlern. In der aktuellen Umfrage vertreten 80 Prozent die Meinung, im Gesundheitswesen müsse dringend gespart werden. Widersprüchlich bleibt die Umsetzung: Obwohl das eigene Verhalten die Kostenentwicklung antreibt, geht die Bevölkerung nur ungern Kompromisse ein. Grosser Zuspruch erhält dagegen die Idee, die Arztwahl freiwillig einzuschränken, wenn dies zu tieferen Prämien führt. Fast 90 Prozent befürworten zudem eine strenge Rechnungskontrolle durch die Versicherer.
Steigende Kosten verursachen steigende Prämien: Diesen Zusammenhang versteht die Bevölkerung je länger je besser. 33 Prozent sind der Meinung, der Prämienanstieg rühre daher, dass man zu häufig zum Arzt geht. Für 28 Prozent sind die teuren Medikamente schuld. Neu machen auch 13 Prozent der Bevölkerung (2008: 4 Prozent) die fehlende Sparbereitschaft für den Kostenanstieg verantwortlich. Die aktuelle Kosten- und Prämienentwicklung hat Konsequenzen: Beinahe 80 Prozent der Bevölkerung betrachten die Prämien als hoch, rund 30 Prozent (2008: 20 Prozent) gar als zu hoch. Nur noch für 16 Prozent stellt die Prämie kein Problem dar (2008: 24 Prozent). Vier von fünf Personen sind deshalb der Meinung, im Gesundheitswesen müsste sehr oder eher dringend gespart werden.
Sparen, aber primär bei den anderen
Sparen ja, aber wo? Die Antwort bleibt widersprüchlich. Obwohl die Befragten insbesondere das eigene Konsumverhalten für die Kosten- und Prämienentwicklung verantwortliche machen, wollen sie nicht in erster Linie bei sich selbst, sondern vor allem dort sparen, wo es nicht so weh tut: beim Verschreiben von Medikamenten und bei den Medikamentenpreisen (je 84 Prozent), bei Geräten und Methoden der Spitzenmedizin und bei den Dienstleistungen der Krankenversicherer (je 65 Prozent) sowie bei der Anzahl der Apotheken (58 Prozent). Wenn der eigene Konsum betroffen ist, reagieren die Befragten zurückhaltender: Keiner der Vorschläge für höhere Schwellen beim Arztbesuch erzielte einen durchschlagenden Erfolg. So stösst die Praxisgebühr mit 30 Prozent Zustimmung auf wenig Gegenliebe. Mit 52 Prozent immerhin eine knappe Mehrheit findet der Vorschlag, dass derjenige eine Gebühr bezahlen muss, der statt den Hausarzt direkt das Spital aufsucht.
Zuspruch für duale Grundversicherung
Auch Einschränkungen bei der Arztwahl haben kaum Erfolgschancen. Es sei denn, die Versicherten können selbst entscheiden, ob sie die Arztwahl zugunsten von tieferen Prämien einschränken wollen oder nicht. Beachtliche 73 Prozent der Befragten unterstützen die Idee einer dualen Grundversicherung. Für 71 Prozent der Befragten ist es zudem in Ordnung, wenn sie bei jeder Erkrankung zuerst den Hausarzt aufsuchen müssen.
Zusatzversicherungen werden geschätzt
Rund neun von zehn Personen geben an, im vergangenen Jahr die Krankenkasse nicht gewechselt zu haben. 66 Prozent der Befragten begründen diesen Verzicht mit ihrer Zufriedenheit mit dem eigenen Krankenversicherer. Die Versicherten zählen auf die Dienstleistungen der Krankenversicherer: 88 Prozent erwarten, dass ihr Versicherer die Arztrechnungen genau kontrolliert. In der Kontrolle und dem Bezahlen von Rechnungen sehen die Befragten auch einen der wichtigsten Nutzen ihrer Krankenversicherung (80 Prozent). Als ebenfalls besonders nützlich betrachtet wird das Angebot an Zusatzversicherungen (90 Prozent), die rasche Rückerstattung von Zahlungen (79 Prozent) sowie für das Vermitteln von Ratschlägen und Angeboten zur Gesundheitsförderung (70 Prozent). Aus Sicht der Krankenversicherer sicher erfreulich ist die Zunahme von 6 Prozentpunkten beim Nutzen der telefonischen medizinischen Beratungsdienste (61 Prozent).
Kein grundlegender Systemwechsel erwünscht
Trotz der aktuellen Wirtschaftskrise und der unerfreuliche Kosten- und Prämienentwicklung wünscht die Bevölkerung keinen grundlegenden Systemwechsel. Dies zeigt, dass von den bisherigen Änderungsvorschlägen keiner so richtig überzeugen mochte. Hinzu kommt, dass die Einstellungen zur Solidarität zwischen Gesunden und Kranken sowie zwischen arm und reich ungebrochen hoch sind. Obligatorium, Kopfprämie und Prämienverbilligung bleiben unbestritten. Alternative Finanzierungsformen erhalten wenig Zustimmung.
System der Grundversicherung weitgehend unbekannt
Die sondage santé zeigt jedes Jahr, wie wenig die Bevölkerung das System der Grundversicherung kennt, obwohl durch das Obligatorium alle versichert sind. Auch heuer lassen die Ergebnisse der so genannten Wissensfragen keine Trendwende erkennen. Gleichzeitig wird der Verwaltungskostenanteil der Krankenversicherer mit 32 Prozent weiter massiv überschätzt. Tatsächlich beträgt er nur 5,7 Prozent. Von 100 Franken Prämieneinnahmen gehen also über 94 Franken in Form von Leistungen direkt an den Versicherten zurück.
santésuisse fordert längerfristige Massnahmen
Die Bevölkerung will sparen, ohne das System auf den Kopf zu stellen. Auch santésuisse fordert Massnahmen, welche das Fortbestehen einer finanzierbaren Krankenversicherung im Rahmen des regulierten Wettbewerbs sichert. Dazu braucht es aber nicht noch mehr Regulierung, sondern - nebst gewissen Sofortmassnahmen - langfristige Reformen, welche bestehende Fehlanreize entfernen und eine effiziente Medizin fördern. Zu diesen Reformen gehören insbesondere die Förderung von Managed Care, die Einführung der Finanzierung aus einer Hand (Monismus) sowie die Etablierung des Wettbewerbs auch unter den Leistungserbringern.
Gleichzeitig möchte santésuisse mit einer Informationsoffensive die Zusammenhänge im Gesundheitswesen einfach und verständlich darstellen (mehr Informationen dazu unter: www.santesuisse.ch/de/im_interesse_der_versicherten.html).
Steckbrief der sondage santé
Die von santésuisse zum siebten Mal in Auftrag gegebene und von Neff-Pidoux Wissensmanagement, Bern, konzipierte und ausgewertete Bevölkerungsbefragung sondage santé wurde in den Kalenderwochen 24 bis 26 des Jahres 2009 vom Marktforschungsinstitut DemoSCOPE aufgrund computergestützter Interviews durchgeführt. Die Grundgesamtheit der Befragung umfasst die Bevölkerung aus allen Landesteilen im Alter zwischen 15 und 74 Jahren. Befragt wurden insgesamt 1201 Personen. Die Resultate der Gesamtstichprobe sollten mit 95 Prozent Wahrscheinlichkeit und einer Messgenauigkeit von ± 2,6 Prozent mit der Gesamtbevölkerung übereinstimmen.
Quelle Communiqué santésuisse, September 2009