Gesundheit - Allianz droht Referendum an
Gewerkschaften des Gesundheitspersonals haben sich zu einer Allianz zusammengeschlossen und bilden somit eine «Blockade-Macht», wie Paul Rechsteiner, Präsident des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes, sagte. Er drohte das Referendum auch gleich an – und zwar bezüglich der Pflegefinanzierungsvorlage, die diese Woche in der Nationalratskommission behandelt wird. Doch die Allianz will nicht als Verhinderer dastehen, sondern die Gesundheitspolitik in positivem Sinne beeinflussen. Ihr Reformvorschlag: Eine Art obligatorisches Hausarztmodell für alle. Andere Versicherungsformen würden abgeschafft. (KAS)
Einheitsversicherung statt Einheitskasse
Gewerkschaften - Gesundheit soll von obligatorischer persönlicher Gesundheitsstelle gesteuert werden.
Nach dem Scheitern der Einheitskasse folgt nun der nächste Vorschlag von linker Seite: eine einzige Versicherungsform. Ohne Besuch bei der so genannten persönlichen Gesundheitsstelle soll keine Behandlung durch einen Spezialisten möglich sein.
KAREN SCHäRER
Wer nun an «Hausarztmodell» denkt, liegt gar nicht so falsch. Nur soll das Modell mit der persönlichen Gesundheitsstelle nicht eine von verschiedenen frei wählbaren Versicherungsformen sein, sondern die einzige, obligatorische. So sieht die «neue Gesundheitsversorgung in der Schweiz» aus, wenn es nach dem gemeinsamen Projekt verschiedener Gewerkschaften des Gesundheitspersonals geht, welches diese gestern in Bern den Medien vorstellten. Vertreter des Schweizerischen Gewerkschaftsbunds (SGB), des Schweizerischen Verbands des Personals öffentlicher Dienste (VPOD) und des Schweizerischen Berufsverbands der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner (SBK) hatten die Reformvorschläge erarbeitet.
Die persönliche Gesundheitsstelle soll in jedem Fall die Erstbehandlungsstelle sein. Für diese Aufgabe infrage kommen gemäss den Gewerkschaften Hausärzte, Ärztenetzwerke oder auch ein Ambulatorium. Wenn die Erstbehandlungsstelle dieerforderlichen Gesundheitsleistungen nicht abschliessend erbringen kann (also in 10 bis 20 Prozent der Fälle, wie VPOD-Zentralsekretär Beat Ringger sagte), werden die Versicherten an Spezialärzte und Kliniken überwiesen. Neben einer «ganzheitlichen, patientennahen Grundversorgung» erhofft man sich vom Systemwechsel mehr Effizienz und Einsparungen von bis zu 20 Prozent.
Staat soll Hausärzte akkreditieren
Die Erstbehandlungsstellen sollen staatlich akkreditiert sein; die Versicherten können ihre persönliche Gesundheitsstelle jederzeit wechseln. Beat Ringger sagte auf Anfrage, dies habe man aus «Schutzgründen für den Patienten» so vorgesehen. Dass die Versicherten einfach zu einem neuen Hausarzt wechseln, wenn ihr angestammter Arzt ihnen eine gewünschte Behandlung verweigert - und so die Gesundheitskosten in die Höhe treiben -, glaubt Ringger nicht. «Wenn das Vertrauensverhältnis stimmt, wird der Patient dem Ratschlag des Arztes Beachtung schenken.»
Die vorgesehene Stärkung der Position der Hausärzte freut diese natürlich, wie Hansueli Späth, Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für Allgemeinmedizin, auf Anfrage bekräftigte. Hingegen ärgerte Späth sich darüber, dass die Hausärzte von der neuen Allianz nicht einbezogen worden waren. Ringger rechtfertigte das Vorgehen gegenüber der MZ: «Wir wollten verhindern, dass unser Modell als Interessengeschichte der Hausärzte interpretiert werden kann.»
Kassen sind gegen ein Obligatorium
Peter Marbet, Sprecher des Krankenkassenverbands Santésuisse, sagte auf Anfrage, man sei zwar «Fan» von Managed Care, HMO und Hausarztmodellen. Jedoch: «Die Idee eines obligatorischen Hausarztsystems lehnen wir ab.» Man habe die Erfahrung gemacht, dass die Akzeptanz für ein System höher sei, wenn man die Versicherten nicht bevormunde. Zudem hinterfrage Santésuisse den Monopol-Aspekt der Gesundheitsstellen: «Ein solches Monopol wäre der Innovation abträglich. Wir glauben an die Konkurrenz verschiedener Systeme», sagte Marbet. Nicht so die Gewerkschaften des Gesundheitspersonals: «Das Modell ist eine Absage an eine verstärkte Einführung von Marktmechanismen und von konkurrierenden Versorgungsmodellen, wie sie die Managed-Care-Vorlage vorsieht, die zurzeit in den eidgenössischen Räten diskutiert wird», sagte Beat Ringger. Das neue Modell soll alle bestehenden ersetzen.
Ringger sagte auf Anfrage, man werde möglicherweise im Bereich der Managed-Care-Debatte rasch einen Vorstoss lancieren: «Als ersten Schritt könnten wir zum Beispiel fordern, dass alle Kassen ein Managed-Care-Modell anbieten müssen.» Vorerst steht aber die Ausweitung der Allianz im Vordergrund. Er sei «sehr optimistisch», dass die Fachverbände, Fachleute und Patientenorganisationen zu gewinnen sind, sagte Ringger. SGB-Präsident und Nationalrat Paul Rechsteiner (SP/SG), sagte, nach dem Scheitern der Einheitskasse könne man eine «offene Debatte» führen. Mit der Allianz begründe man «ein neues Kapitel».
Referendum angedroht
Die Revision der Pflegefinanzierung, die am Mittwoch in der Nationalratskommission behandelt wird, erfüllt die Gewerkschaften mit Sorge. Das Krankenversicherungsgesetz sehe die Übernahme der Pflegekosten durch die Versicherungen vor, sagte Pierre Théraulaz, Präsident des Schweizer Berufsverbands der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner (SBK). Die Kostenbelastung solle nun aber noch stärker direkt auf die Betroffenen abgewälzt werden. Die Vorlage sei nicht gesetzeskonform, sagte SGB-Präsident und Nationalrat Paul Rechsteiner. Bleibe es dabei, müssten die Gewerkschaften das Referendum ergreifen. Auch die vom Bundesrat vorgeschlagene private Pflegeversicherung befriedige nicht. Die Ungleichbehandlung zwischen Jung und Alt, Gesunden und Chronischkranken bleibe. (SDA/MZ)
Quelle Aargauer Zeitung, April 2007
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