Die Volksinitiative zugunsten einer öffentlichen, nationalen Einheitskrankenkasse wird aufs Neue zur Abstimmung kommen. Am 23. Mai wurden über 115'000 Unterschriften bei der Bundeskanzlei eingereicht. Unter den Befürwortern der Initiative befinden sich Mitglieder von Apotheken-Unternehmen, Organisationen, die sich die Unterstützung von Familien und Patienten aufs Banner geschrieben haben, der Westschweizer Konsumentenschutzverband und Vertreter verschiedener Parteien, wie SP und die Grünen.
Eine Einheitskrankenkasse: um was geht es da eigentlich?
Die Befürworter der Initiative beantragen eine Verfassungsänderung, die eine soziale Krankenkasse vorsieht, welche von einer einzigen, nationalen, öffentlich-rechtlichen Einrichtung verwaltet werden soll. Diese setzt sich aus Vertretern der Konföderation, der Kantone, der Versicherungsnehmer und der Versicherungsanbieter zusammen. Die Prämien der Krankenversicherung sollen durch die Kantone festgelegt werden, mit Hilfe einer Einteilung in Einkommensklassen. Die Prämien würden durch kantonale und interkantonale Agenturen kontrolliert, die wiederum von einem höherstehenden nationalen Organ eingesetzt würden. Die Gesetzesänderung würde nur die Grundversicherung betreffen, während die Zusatzversicherungen wie bisher funktionieren würden.
Die Argumente zugunsten einer nationalen Einheitskasse
Gemäss den Befürwortern der Initiative, wäre die erste Auswirkung der Anwendung eines einzigen, nationalen Systems die Eliminierung aller Kosten, die sich aus der Konkurrenzsituation zwischen den Kassen ergeben (auf 200-400 Millionen geschätzte Marketingkosten, Verwaltungskosten aufgrund der Kassenwechsel der Versicherungsnehmer). Langfristig würde das System weitere Ersparnisse mit sich bringen, insbesondere die Einsparung der Kosten im Zusammenhang mit der Überwachung von einem Dutzend Versicherern durch den Staat, eine grössere Gewichtung der Vorsorge und die Möglichkeit für eine nationale Institution dieser Grössenordnung, politischen Druck auf die Medikamentenpreise und andere Gesundheitskosten auszuüben.
Doch die von den Befürwortern der Initiative angeführten Vorteile sind eher von sozialer Art: eine öffentliche Versicherung würde sowohl die perversen Nebenwirkungen der Konkurrenzsituation als auch die auf Profit ausgerichteten Aktivitäten verhindern. Unter diesen etwaigen Nebenwirkungen wären beispielsweise zu nennen: die offene oder verdeckte Weigerung, „schlechte Risiken“ zu versichern, die Beschränkung der freien Arztwahl, der Druck auf die Ärzte, die die „teureren“ Patienten betreuen. Ausserdem sind die Befürworter des Referendums der Meinung, dass für private Krankenkassen generell Kostenkontrolle und Wirtschaftlichkeit Priorität seien, was auf Kosten der Gesundheit des Patienten ginge.
Einheitskasse: die Gegenmeinungen
Die Gegner der Initiative, in erster Linie Santésuisse, der Dachverein der Krankenversicherungsbranche, fechten die Argumente der Befürworter energisch an, indem sie in Erinnerung rufen, dass nur 5% der von den Versicherungsnehmern bezahlten Prämien an die Leistungserbringer gehen, die restlichen 95% würden für die medizinischen Leistungen verwendet. Gemäss Santésuisse würde das System einer Einheitskasse, das die Festlegung der Prämien entsprechend Kanton und Einkommen vorsieht, den Versicherten jegliche Möglichkeit nehmen, eine niedrigere Prämie zu erhalten, denn logischerweise gäbe es keine Möglichkeit mehr, die Kasse zu wechseln. Die Versicherungsnehmer, die in Kantonen mit hohen Prämien lebten, wären so stark benachteiligt.
Das Versprechen einer besseren Qualität der Behandlungen wird ebenfalls von Santésuisse bezweifelt: die Gründe für den Anstieg der Gesundheitskosten sei in erster Linie auf die höhere Lebenserwartung der Bevölkerung und den Fortschritt in der Medizin zurückzuführen. Um unter dem Regime einer Einheitskasse eine Stabilisierung der Prämien zu garantieren, wäre es unvermeidlich, die medizinischen Leistungen zu reduzieren.
Darüber hinaus ist nicht garantiert, dass eine Einheitskasse nicht ebenfalls die Priorität auf Kostenkontrolle und Rentabilität setzt, auf Kosten der Gesundheit des Patienten.
Wir möchten daran erinnern, dass bei einer ähnlichen Initiative, die in 2007 zu einem Referendum geführt hatte, 70% der Bevölkerung sich gegen eine Einheitskasse in der Schweiz ausgesprochen hatten.
Quelle: bonus.ch, Patrick Ducret