Mit einer geballten Ladung technischer Finessen und der Kraft zweier Turbos beschloss der Nissan 300 ZX zwischenzeitlich die legendäre Z-Baureihe. Aus dem sportlich-straffen 240 Z von 1969 war ein feistes Sportcoupé geworden.
Breit, flach und mit üppigen Rundungen versehen, rollt er an, der 300 ZX mit dem verheissungsvollen Zunamen Twin Turbo. Tief geht es hinab in die elektrisch verstellbaren Ledersitze, die guten Seitenhalt versprechen.
Der Mitteltunnel steht wie ein Gebirge zwischen Fahrer und Beifahrer. Die fühlen sich durch die hohe Gürtellinie und die flache Frontscheibe umschlossen wie in einem Kokon. Die Enden der Karosserie lassen sich nur erahnen. Alles etwas üppig und weit entfernt von der schlanken Figur des Urahns 240Z, an dessen Form sogar der legendäre Designer des BMW 507, Albrecht Graf Goertz, beteiligt war.
Die klassischen Rundinstrumente liegen gut im Blickfeld. Doch die in zwei Satelliten zusammengefassten Bedienungselemente zeigen, dass Nähe zum Lenkrad allein nicht perfekte Ergonomie bedeutet. Klimaautomatik und Tempomat waren für die damalige Zeit ja noch etwas Besonderes, vor allem für einen Sportwagen.
Kraftvoller Turbomotor
Gas! Kraftvoll und mit zurückhaltendem Grummeln geht der V6 zur Sache. Nicht mehr so seidig und vibrationsarm wie die Reihensechser der früheren Z und ZX, dafür mit deutlich mehr Nachdruck. Den besorgen zwei Garrett-Turbolader mit einem verhältnismässig moderaten Ladedruck von 0,7 Bar.
Über je zwei obenliegende Nockenwellen pro Zylinderbank werden 24 Ventile betätigt, die einlassseitigen sogar mit variablen Steuerzeiten. Jede Zündkerze wird direkt über eine eigene Zündspule angesteuert. Entsprechend harmonisch und souverän ist die Kraftentfaltung. Da wirkt sogar das optionale Automatikgetriebe nicht deplatziert, obwohl es nur über vier Fahrstufen verfügt und 15 PS weniger mobilisiert als die Version mit Schalter.
Echte Sportfahrer wählen das Fünfgangschaltgetriebe. Damit vergehen bloss 5,8 Sekunden für den Spurt auf Tempo 100. Die günstige Gewichtsverteilung dank weit nach hinten gerücktem Motor und das Differenzial mit Viscosperre lassen die Hinterräder mit tadelloser Traktion in den Asphalt krallen. Sogar ein Porsche 911 war damals nur ein Zehntel schneller im Paradespurt.
Aufwendige Vierradlenkung
Schliesslich beweist das Fahrwerk, dass die Japaner bei der Entwicklung der vierten Z/ZX-Generation alle Register gezogen haben. An beiden Achsen führen hochmoderne Multilenker-Konstruktionen die Räder, hinten kommt unter dem Namen HICAS sogar eine aktive Vierradlenkung zum Einsatz.
Am Kurveneingang werden die Hinterräder zunächst bis zu ein Grad in Gegenrichtung zu den Vorderrädern eingeschlagen.
Danach schwenken sie in die gleiche Richtung – minimale Einschläge, die von aussen nicht sichtbar und für den Fahrer kaum spürbar sind, aber für ein ausgesprochen problemloses, neutrales Kurvenverhalten sorgen. Und das Auto viel schneller machen, als es scheint.
Der ehemalige DTM-Pilot Klaus Ludwig erreichte mit dem 300 ZX Twin Turbo auf der Nürburgring-Nordschleife eine Zeit von 8 Minuten 45 Sekunden. Sein Urteil danach lautete: "In Sachen Strassenlage schlägt der alle seine Konkurrenten!" Das war das Entwicklungsziel der Nissan-Techniker, denen es darum ging, den im Laufe von drei Generationen immer weniger sportlich gewordenen ZX zu revolutionieren.
Von Grund auf neu entwickelt
Er sollte der beste Sportwagen seiner Zeit werden, die Nummer eins der 90er-Jahre, symbolträchtig verschlüsselt im Projektcode 901. Die Entwicklung begann, wie 20 Jahre zuvor, bei null. Das Prinzip lange Schnauze, kurzes Heck wurde über Bord geworfen, nicht weniger als elf Entwürfe wurden im Windkanal getestet, bis das Design mit einem cW-Wert von 0,28 feststand. Und vom Motor aus dem vorhergehenden 300-ZX-Modell Z31 blieb für den neuen Z32 eigentlich nicht viel mehr übrig als das V6-Prinzip und das Bohrung-Hub-Verhältnis.
Bei der Lancierung im Frühjahr 1989 stand vorerst nur die freisaugende Version mit 222 PS zur Wahl. Doch bereits ein halbes Jahr später wurde der Twin Turbo nachgeschoben. Ein starkes Stück, doch das Z- Image zog in Europa nicht mehr, und der ZX verkaufte sich in weit geringerer Stückzahl als sein Urahne 240 Z, der als meistverkaufter Sportwagen der Welt angepriesen wurde.
Lag es daran, dass der US-Markt bevorzugt beliefert wurde, oder vielmehr daran, dass das japanische Hochleistungs-Coupé trotz herausragender Fahrleistungen und erstklassiger Strassenlage für den europäischen Geschmack zu wenig Sportwagen war? Ein Bestseller wurde der 300 ZX jedenfalls nicht.
Gewiss lag es teilweise am Preis, der deutlich höher war als bei seinen Vorgängern. Kostete ein 240Z Anfang der 70er-Jahre mit 21‘000 Franken rund halb so viel wie ein vergleichbar motorisierter Porsche 911, rangierte der 300 ZX Twin Turbo mit zunächst 75‘000 Franken nur 25 Prozent unter dem deutschen Klassiker. Und der Preis zog bis 1995 sogar auf 89‘850 Franken an. Das war vielen zu viel. Und so verschwand die legendäre Baureihe im folgenden Jahr in Europa von der Bildfläche. In den USA, wo seit 1992 neben dem Targa-Coupé eine Vollcabrio-Version angeboten wurde, hielt er sich nur ein Jahr länger. In Japan hingegen wurde der 300 ZX bis ins Jahr 2000 weiterhin gebaut und verkauft. Und wurde danach vom 350Z beerbt.
Schon Ende der 90er-Jahre tauchten die ersten 300 ZX mit hohen Abschlägen auf dem Gebrauchtwagenmarkt auf. Ein gefundenes Fressen für junge Tuning-Freaks, die sich über den ab Werk nur massvoll aufgeladenen Twin-Turbo-Motor hermachten und mit nicht immer seriösen Methoden 400 PS und mehr aus dem Dreilitertriebwerk herauspressten. Oder mit unzähligen Lautsprechern einer Soundanlage jeden Hohlraum ausfüllten.
So ist es heute nicht einfach, einen unverbastelten 300 ZX Twin Turbo zu finden. Zum Glück sind die Preise noch tief – und damit die Chance auf einen Klassiker von morgen hoch.
Quelle: auto-illustrierte, Januar 2012